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VII. Verhältnis des Thackerayschen Humors
zu dem Gesamtwerke.

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Th.'s Werke kann man in Hinsicht auf das Verhältnis des Humors zu ihnen in zwei grosse Klassen teilen. In den Werken der ersten Klasse ist die Grundstimmung vorwiegend satirisch, in denen der zweiten überwiegt der Humor. Die Klassen sind auch chronologisch von einander geschieden, so dass man auch von Perioden sprechen kann. In die erste Periode fallen „Vanity Fair" und alle Werke, die diesem Roman vorhergehen, wie die „Snob Papers", Barry Lyndon" und andere. Spielhagen vergleicht den Th. dieser Periode mit dem Gotte Apollo, wie er von des Olympos Höhen herabschreitet, zürnenden Herzens, den Bogen um die Schultern und den wohlverschliessbaren Köcher, daherwandelnd, düsterer Nacht gleich; und sich nun entfernt von den Schiffen setzt, die tötlichen Pfeile abschnellt, und alles unterschiedslos trifft: Maultiere, hurtige Hunde, Menschen, also dass die Totenfeuer unablässig brennen." 1) Doch wäre es falsch, zu vermuten, dass in diesen Werken nur Satire anzutreffen wäre. Auch der Humor glänzt stellenweise in wehmütigem Lächeln oder in kraftschäumendem Übermut hervor, und es ist oft schwer, das rein Humoristische vom Satirischen zu unterscheiden, da beides innig mit einander verbunden ist, und „the man who is satirical at the pomp of the second funeral of Napoleon waxes tender at the thought of the mother spending a few of her hard-earned sous to buy a wreath for a little child's grave." 2) Dieses Überwiegen der Satire erklärt sich daraus, dass die Satire nur die Vorstufe des Humors ist,) und der Humor der Erfahrung und Bildung, nicht der leichten Unschuld der Jugend angehört"; 4) aber auch die Stimmung, die Th. in jener Zeit beherrschte, spricht mit. Es ist unabweisbar, dass das Fehlschlagen seiner Pläne mit der Malerei, die Verluste in dem Unternehmen mit der Zeitung und anderes seiner Stimmung einen pessimistischen Zug aufgedrückt haben, der sich in diesen Schriften äussert und seinen Humor überwuchert, aber nicht erstickt hat. Die düstern Wolken, die in dieser Periode den Kunsthimmel Th.'s

1) Spielhagen, Verm. Schriften 241.

2) Melv. II. 227.

3) Spielhagen a. a. O. 167.

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verdunkeln, reissen zuweilen auseinander, und das heitere Blau lächelnden Humors strahlt hernieder. Das zeigen die Erzählungen „Samuel Titmarsh and the great Hoggarty Diamond und die FitzBoodle Papers". In der ersten zittert zwar noch die Erinnerung an erlebtes Wehe nach, die Schilderung des Todes des kleinen Kindes aber es strahlt doch schon der anmutige Humor einer weicheren, versöhnteren Stimmung darüber. Und in den FitzBoodle Papers" vollends erschallt schon ein Lachen ohne Misston.') FitzBoodle ist ein Humorist, der uns mit seinem Ungeschick und Missgeschick die klarste Freude macht und schon viele Züge aufweist, die an den späteren Th. erinnern. Ausserdem sind hier The Fatal Boots" und "Cox's Diary" zu erwähnen. In beiden ist "humour and to spare", wie Merivale sich ausdrückt (131). Auch in ,,Vanity Fair", dem frühesten seiner grösseren Werke, findet sich schäumender Humor, aber nicht durchgängig, sondern nur an einzelnen Stellen. Th. selbst schreibt dazu im Vorwort: ,,A man with a reflective turn of mind walking through an exhibition of this sort will not be oppressed, I take it, by his own or other people's hilarity; an episode of humour or kindness touches and amuses him here and there a pretty child looking at a gingerbread stall; a pretty girl blushing whilst her lover talks to her and chooses her fairing; poor Tom Fool yonder behind the waggon, mumbling his bone with the honest family which lives by his tumbling. But the general impression is one more melancholy than mirthful." 2) Das gilt von dem ganzen Werke dieser Periode.

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Nach und nach überwindet Th. jedoch die Leiden dieser Zeit, den Verlust seines Vermögens, die Verkennung seines literarischen Schaffens in weiteren Kreisen, den Tod seines zweiten Kindes und das traurige Schicksal seiner Frau, und wird admirabile dictu kein Swift, sondern der Humorist, wie er sich in seinen späteren Werken zeigt. In dieser zweiten Periode ist herzlicher, gemütstiefer Humor mit seinem traurigen Lächeln die herrschende Grundstimmung, aber immer noch in ungleicher Verteilung und hin und wieder verdrängt von der Satire. Hier hat der Apollo den Köcher wohl verschlossen, ist zu den Griechen ins Lager gekommen und schlendert zwischen den Zelten

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1) Cf. Schaub 63.

umher, ein halb gutmütiges, halb

sarkastisches Lächeln auf

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den Lippen, im übrigen aber sehr geneigt, die Dinge gehn zu lassen, wie's Gott gefällt.") Das heiterste von Th.'s grösseren Werken dieser Periode ist „Pendennis." Pendennis may have flagged sometimes from adverse circumstances, but the book begins in good spirits and ends happily and in good spirits." 2) Der Humor in Philip" und in den „Virginians" ist verwandter Natur, es ist jener naive, häusliche Humor, wie er sich in den besonders in „Philip" häufigen Familienszenen zeigt. Der Humor in den „Newcomes", der in den prächtigen Gestalten eines Binnie, F. B., Florac, einer Miss Honeyman verkörpert wird, ist mit scharfer Satire gegen die Geldheiraten und trüben, sentimentalen Szenen das Schicksal Colonel Newcomes vermischt, so dass Merivale das Werk im Vergleich zu „Pendennis" "sad" nennt.2) Th. selbst schreibt in einem Briefe: „Luckily I have a nonsensical fairy tale (gemeint ist „the Rose and the Ring") with pictures to amuse me during the week, and I have been writing and drawing that. The more serious "Newcomes" it was impossible to do."3) Vergleichen wir dieses Werk mit ,,Vanity Fair", so fühlen wir doch deutlich eine ruhigere, mildere Stimmung heraus. Und vollends die Werke, die eigens geschrieben sind, um Lachen zu erregen, wie z. B. seine Burlesken, sind ,broad fun from beginning to end." - Steht hier der groteske Humor im Vordergrund, dem Charakter der Burleske entsprechend, so tritt er in andern Werken zeitweilig sehr zurück. Von seinem gefeiertsten Kunstwerke, von ,,Esmond", schreibt Th. selbst:,,I sent away the first sheets of "Esmond" yesterday. It reads better in print; it is clever, but it is also stupid, no mistake. Other parts will be more amusing, I hope and think,"4) und etwas später lautet sein Bericht: „,I wish the new novel was not so grand and melancholy There's a deal of pains in it that goes for nothing." 5) Aber auch dieses zeitweilige Zurücktreten des Humors hängt mit seiner Kunstanschauung zusammen. Er will die Wahrheit sagen und glaubt, dass ,,a deal of disagreeable matter must come out in the course of such an undertaking".6) Ein

1) Spielhagen, a. a. O. 167.

2) II. XXXIV.

3) X. VIII.

4) VII. XX.

5) VIII. XXIII.

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anderer Grund ist darin zu suchen, dass sich Th.'s Romane meist in der vornehmen Gesellschaft bewegen. Hier ist für den Humor im allgemeinen weniger Platz.,,Demokratisch nicht nur in diesem bestimmten, sondern im weitesten Sinne ist alles Komische.") Th. unterscheidet selbst zwischen der,,genteel," der,,romantic" und der „facetious manner." So sagt er in Vanity Fair": „Instead of the supremely genteel suppose we had resorted to the entirely low, and described what was going on in Mr. Sedley's kitchen; how black Sambo was in love with the cook (as indeed he was), and how he fought a battle with the coachman in her behalf; how the knife-boy was caught stealing a cold shoulder of mutton, and Miss Sedley's new femme de chambre refused to go to bed without a wax candle; such incidents might be made to provoke much delightful laughter and to be supposed to represent scenes of life." 2) Es ist also einmal seine realistische Kunstanschauung, die ihm Sparsamkeit in der Anwendung des Humors vorschreibt. Einen anderen, noch stichhaltigeren Grund hat er in seinem Essay über „Charity and Humour" angegeben: ,,That collision of ideas, which provokes the one or the other" (nämlich,,a laugh or a tear"),,must be occasional. They must be like Papa's embraces which I spoke of anon, who only delivers them now and again, and cannot be expected to go on kissing the children all night. And so the writer's jokes and sentiment, his ebullitions of feeling, his out-breaks of high spirits, must not be too frequent. One tires of a page of which every sentence sparkles with points, of a sentimentalist who is always pumping the tears from his eyes or your own. One suspects the genuiness of the tear, the naturalness of the humour; these ought to be true and manly in a man, as everything else in his life should be manly and true; and he loses his dignity by laughing or weeping out of place, or to often." 3) So sieht er mit feinem Künstlerblick wie Goethe, dass zwar der Humor eines der Elemente des Genies sei, aber sobald er vorwalte, die abnehmende Kunst begleite, zerstöre und zuletzt vernichte.4) Darum ist er so vorsichtig in der Anwendung seines Humors. Andererseits

1) Vischer I. 470.

2) I. 45.

4) Vgl. Elster 357.

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schrieb er aber auch kaum einen Brief, keine kleine Anekdote, worin nicht ein humoristischer Einfall, ein guter Scherz zu finden wäre von jenem humour without which Th. never tells any story." 1) Aber wie übermütig sich auch hier und da sein Humor geberdet, immer hat ihn Th. in seiner Gewalt. Nie lässt er sich von seiner Laune so weit fortreissen, dass der Humor ihn zu seinem Werkzeug macht, wie wir es oft bei Jean Paul sehen. Bei all seiner Neigung zu tollen Ausbrüchen des Humors wahrt er doch immer jenes klassische Masshalten, jene vornehme Reserviertheit, jene distinguierte Feinheit seines Humors, die ihm zwar die allgemeine Anerkennung breiter Volksschichten nie bringen wird, aber die dauernde Bewunderung eines kleineren Kreises längst gesichert hat.

1) Trollope I. 140.

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